Hinsetzen, Augen zu und schauen...
Stell Dir vor, jeder redet darüber, aber keiner weiß wirklich, was es ist. So ähnlich ging es mir, als ich das erste Mal mit dem Begriff „Meditation“ in Berührung kam. Ok, dachte ich mir, dann schauen wir mal, was das ist und ich meldete mich zu einem Wochenendseminar in „Transzendentaler Meditation“ an – ein Bekannter unterrichtet diesen „Stil“ und wenn das Gute liegt so nah… Es erschien mir zunächst völlig fremd, mich einfach hinzusetzen, nichts zu tun, die Augen zu schließen, aber dann doch nicht schlafen zu wollen. Hinsetzen, Augen schließen und Gedanken und Emotionen beim Kommen und Gehen beobachten. Erst ein paar Minuten, dann langsam steigern auf zehn Minuten, dann zwanzig Minuten. Wenn möglich zweimal täglich, mindestens aber einmal. Das ist das Rezept, eine von vielen Techniken, um ins Meditieren zu kommen. Wie ich feststellte, gibt es derer einige. Je nach Tradition, ob Zen, Vipassana, Loving-Kindness, Achtsamkeit, Bewegungs-Meditation, Yoga Nidra und noch viele mehr (eine gute knackige Übersicht bietet Sedlmaier in seiner Meta-Studie „Effects of Meditation“ von 2012). Aber worum geht es eigentlich? Heißt es, wenn ich die Technik anwende, meditiere ich? Die Antwort heißt höchstwahrscheinlich: Nein, tust Du nicht. ABER, Du bereitest Dich vor, die Meditation kommen zu lassen. Ob sie dann tatsächlich eintritt, kannst Du nicht bestimmen. Es verhält sich so ähnlich, wie wenn Du versuchen würdest, bewusst einzuschlafen. So gesehen ist Meditation ein besonderer Bewusstseinszustand, sozusagen der Eintritt eine Gnade. Und man kann etwas tun, um die Meditation leichter kommen zu lassen. Eine Metapher ist die der Blume: Du musst erst den Garten bestellen, Samen sähen, gießen und vielleicht wächst eines Tages eine Blume. Du fängst nicht mit der Blume an. Übertragen auf die Yoga-Praxis kannst Du mit Asanas und Pranayama Deinen Körper reinigen und Dich auf langes Sitzen vorbereiten, Du kannst üben Dich zu konzentrieren (Dharana), Du kannst mit Dir und Deiner Umwelt im Reinen sein (Yamas und Niyamas): Die ersten sechs Aspekte des achtgliedrigen Pfads kannst Du bewusst üben, Dhyana und Samadhi dürfen dann von alleine kommen. All das ist ein Prozess über Zeit und sehr individuell. Das Beobachten des eigenen Geistes ist eine fantastische menschliche Fähigkeit, und erfordert Übung, wie einen Muskel, den Du trainierst. Im englischen sagt man dazu „witness conscioussness“, Du wirst also Zeuge Deines Bewusstseins. Und der, der die Gedanken denkt und fühlt, dass bist Du. Erfahrene Meditierende verbinden übrigens oft verschiedenen Techniken: Viele Meditations-Techniken empfehlen zu sitzen: Aufrecht, präsent und gut geerdet und die Hüfte höher als die Knie, bspw. im Sitz mit gekreuzten Beinen, Padmasana oder Virasana. Dann einen guten Platz für die Hände finden, bspw. auf den Knien, und beschließen, sich nicht mehr zu bewegen. Die Augen schließen (der optische Reiz ist oft unverschämt stark) und den Atem beobachten, zB am Zwerchfell oder an der Nasenspitze. Fertig. Sitzen und Beobachten. Sitzen und Beobachten. Sitzen und Beobachten, wie es langsam ruhiger wird im Geist. Yoga Citta Vritti nirodham. Der Fokus auf den Atem ist eine Unterstützung, die Dir hilft, im Hier und Jetzt zu bleiben. Mal abgesehen, dass Du über die zu atmende Luft permanent im Austausch des Außen mit dem Innen bist und Dich damit verbindest. Beobachte die gesamte Länge Deines Atems, vom Anfang bis zum Ende. Und wenn Du schon dabei bist, Deinen Atem zu beobachten, Dein Geist aber nach wie vor unruhig ist: Versuche zehn Atemzüge zu zählen – und fang von vorne an, falls Du Dich dabei beobachtest, an etwas anderes zu denken (Vipassana). Aus der transzendentalen Meditation kommt die Verwendung eines Mantras, das Du versuchst, immer wieder im Geist zu halten, bis Ruhe einkehrt. Aber auch verschiedene Bilder, wie die Bewegung des Meeres oder vorbeiziehende Vögel helfen, Gedanken wieder ziehen zu lassen. Das wichtigste Instrument ist jedoch Routine, denn jedes Meditieren ist anders und es braucht Zeit, das zu erkennen und zuzulassen. Es hilft daher sehr, wenn Du die äußeren Bedingungen konstant hältst, eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort findest, an dem es ruhig ist und Du Dich wohl fühlst. Später kannst Du dann vielleicht sogar in der U-Bahn meditieren. Und wozu ein ruhiger und verbundener Geist führt? Neben objektiv nicht messbarer aber, wie ich meine, spürbarer spiritueller Reife, wirkt regelmäßiges Meditieren nachweislich auf empfundenen Stress, Wohlbefinden und Schlafqualität und ist Gegenstand aktueller psychologischer und medizinischer Forschung… ein Gebiet, in dem Spiritualität und Wissenschaft zueinander finden.