Maya – die Illusion
„Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traumes.“
Salvador Dalí
Die Wirklichkeit eine Illusion - was meint Dalí damit? Aber was ist denn überhaupt eine Illusion? Eine falsche Wahrnehmung der Wirklichkeit; gut zu erklären über optische Täuschungen. Beispielsweise im Bild oben: Sind da nun weiße Punkte oder schwarze oder gar keine?
Psychologisch-philosophische Perspektive Wann immer unsere Sinne etwas für uns wahrnehmen, versucht unser Gehirn diese Reize zu filtern und einzusortieren. Das funktioniert in den meisten Fällen ganz wunderbar und so legt unser Gehirn munter Repräsentationen (Vorstellungen, Muster) von dem an, was es wahrnimmt. Zukünftig versuchen wir dann, die Wahrnehmung unserer Vorstellung/Repräsentation entsprechend zu interpretieren; denn das spart Ressourcen, schließlich erfordert ein Überdenken der Vorstellung sehr viel Energie und würde letztendlich handlungsunfähig machen. So setzen wir Stückchen für Stückchen und Zeit unseres Lebens die Welt für uns so zusammen, wie unsere Sinne es uns glauben machen, wie sie so ist, die Welt. In einem Wort: Konstruktivismus - wir konstruieren ein Bild des Außen in unserem Kopf. Der radikale Konstruktivismus nimmt sogar an, dass nichts von dem wirklich ist, was wir wahrnehmen, sondern alles nur eine Suggestion ist. Matrix lässt grüßen! Nichts liegt aus psychophilosophischer Sicht also näher, sich zu fragen, was denn die Realität wirklich ist. Denkanstöße: Viele - Wahrheiten: Keine. Großartig: Eine eingebaute lebenslange Überraschungsgarantie!
Yogische Perspektive Die Yogis haben das längst erkannt und „arbeiten“ daran, den Schleier der Illusion etwas zu lüften: So sagt Swami Sivananda über die Illusion, die hier „Maya“ heißt: „Maya ist die Mutter unbegrenzter Rätsel. Maya verhüllt Brahman und läßt es anders erscheinen, als es ist. Sie teilt das unendliche, namen-, gestalt- und eigenschaftslose Brahman in die begrenzten Erfahrungsbereiche und gibt ihnen Namen, Formen und Eigenschaften. Maya existiert als Ursache der Wahrnehmung der Mannigfaltigkeit des Universums, aber in Wahrheit hat sie keine Wirklichkeit. Sie ist selbst ebenso ein Schein wie der Schein, den sie schafft. Man kann nicht sagen, daß sie existiert, man kann auch nicht sagen, daß sie nicht existiert. Sie ist die falsche Ursache des trügerischen Scheins. Man kann nicht sagen, was sie eigentlich ist. Sie ist unergründlich und unbestimmbar. Maya ist weder wahr noch falsch.“ Ergo muss ein Versuch, mit menschlichen Konstrukten Maya zu erklären, ad absurdum führen, denn er führt nur in eine weitere mayische Schleife. Wie komme ich der Sache jetzt aber auf den Grund, finde einen Ausgang aus der Schleife? Im achtgliedrigen Yogaweg (Ashtanga) beschreibt Patanjali fünf Hindernisse, die uns am Erkennen hindern, uns das Erfahren der Wirklichkeit versperren: Die sog. „Kleshas“. Avidya, falsches Wissen, also „Ich meine zu wissen, wie etwas ist“ ist das erste Klesha. Es folgen Asmita - das Ego, Raga – sich zu sehr etwas wünschen, Dvesha – zu sehr abgeneigt sein, und Abhinivesha – die Angst vor dem Tod.
Im Yoga sucht man demnach nicht die Verbindung mit der Illusion, die unser Geist von der Wirklichkeit schafft, sondern mit Brahma, dem absoluten Selbst, dem Urgrund des Seins. Beim Üben von Asanas kann das zB heißen: Wer eine Vorstellung vom perfekten Kopfstand hat (Avidya) und sich nichts mehr wünscht, als endlich lange im Kopfstand stehen zu können (Raga), um sich dann als Super-Yogi fühlen zu können (Asmita), stellt sich gleich drei Hindernisse in den Weg der Erkenntnis. Ganz praktisch schlägt der achtgliedrige Pfad konkrete und unterstützende Verhaltensweisen und Übungen vor, wie z.B. „Pratyahara“, dem Rückzug der Sinne. Damit entziehen wir uns der Ablenkung, die die Wahrnehmung von Maya durch unsere Sinne verursacht. André Breton schrieb: „Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität. Nach ihrer Eroberung strebe ich, sicher, sie nicht zu erreichen, zu unbekümmert jedoch um meinen Tod, um nicht zumindest die Freuden eines solchen Besitzes abzuwägen.“ Erstes Manifest des Surrealismus (1924)
Sita und Maya Sita’s Geschichte selbst hat einen direkten Bezug zu Maya: Der Dämon Ravana entführt „nur“ die Maya-Sita, die zuvor vom Gott Agni (Feuer) erschaffen wurde. Die „echte“ Sita nimmt er mit zu sich in den Himmel. Nachdem Rama Ravana getötet hat und Sita ins Feuer geht, stellt Agni die echte Sita wieder her. Eine andere Variante der Geschichte besagt, dass Rama Ravanas Absichten durchschaut und Sita anweist, ihren „Schatten“ vor der Hütte zu platzieren. Sie solle solange in der Hütte warten, bis Ravana tot sei, und danach würde er sich mit ihr wieder verbinden. Nach Ravana’s Tod geht Sita auch hier ins Feuer und die „echte“ Sita wird durch Agni wiederhergestellt. Nichts ist, wie es scheint.