Von Achtsamkeit und Stress über Vinyasa Krama zu Kshana
Wie Pilze sprießen sie aus dem Boden - Achtsamkeitsprogramme. „Heutzutage muss man besonders achtsam sein, bei all dem Stress.“ Irgendwie scheint „gestresst zu sein“ die neue soziale Norm, und Zahlen belegen diesen allgemeinen pauschal gestressten Befindenszustand in unserer Gesellschaft (Lohmann-Haislah, 2012). Gut ablesbar an subjektiven Einschätzungen und steigenden Krankheitstagen. Aber was ist das überhaupt - Stress? Und was ist Achtsamkeit? Hat man in den 60er Jahren auch davon geredet und wenn nein, warum gerade jetzt? Und was hat Yoga damit zu tun? Stress kann bspw. als Reaktion des Organismus auf einen zu bewältigenden Reiz verstanden werden (Lazarus & Folkman, 2015). Somit ist Stress erstmal völlig normal und eigentlich sollte man sich darüber freuen, dass wir ein solches reaktives Programm haben; denn zunächst hilft es, mit dem Reiz oder der Situation umzugehen. Mehr noch, wir brauchen kurzzeitigen Stress, denn er hilft uns beispielsweise unnötigen Ballast und „Zellschrott“ loszuwerden. Schwierig wird es aber, wenn diese Reaktion dauerhaft eintritt, wir über die Maßen von unseren Ressourcen zehren. Ein guter Indikator ist zB das Krankwerden während des Urlaubs: Vorher zwingen wir uns (mental) zum Funktionieren und wenn der (selbst induzierte) Druck verschwindet, wir unserem Körper Raum und Zeit geben, holt er sich die Ruhe und Erholung. Achtsamkeit ist ein recht in die Mode gekommenes Wort. Gerne wird auch das englische Pendant Mindfulness im Deutschen verwendet. Vielleicht liegt es daran, dass es über Jon Kabat Zinn aus Amerika kommend (Kabat-Zinn, 2003) genau den Nerv traf, als er mit der Mindulfness Based Stress Reduction Achtsamkeit als wirksames Gegenmittel zum Stress betonte. Ein achtsamer Mensch ist sich der Dinge, die er gerade tut und denkt, sehr bewusst. Yogisch gesprochen könnte man sagen, sie/er ist im Moment. Mittlerweile gibt es diverse psychologische Skalen, die Achtsamkeit als Persönlichkeitseigenschaft messen (z.B. Baer, Smith & Allen, 2004; Michalak, Heidenreich, Ströhle & Nachtigall, 2008). Warum das interessant ist? Na z.B. weil damit überprüft werden kann, ob sich die Achtsamkeit – z.B. durch die Teilnahme an einem MBSR Programm – tatsächlich gesteigert hat. Und da das empfundene Stresserleben sich ebenfalls gut messen lässt, kann man die beiden Dinge miteinander in Beziehung setzen. Und siehe da: Ein Mehr an Achtsamkeit reduziert das empfundene Stresserleben (z.B. Goyal et al., 2014). Als hätte man es nicht ohnehin schon gewusst. Klar, wer schon lange yogiert und oder meditiert, dem erscheint dieser Zusammenhang wie ein – wie sagt man so schön auf neudeutsch – „No-Brainer“, also klar wie Kloßbrühe. Aber im Okzident steht man auf wissenschaftliche Nachweise und die sind mittlerweile erdrückend im positiven Sinn. Achtsamkeit wirkt, egal ob geschärft durch Meditation, Yoga Nidra, Asanapraxis und/oder Pranayama. In einer guten Vinyasa Ashtanga Praxis solltest Du von allem Elemente finden und damit führst Du Dich selbst mehr und mehr in den einzelnen Moment und begreifst, dass letztlich alles nur eine Aneinanderreihung dieser (veränderbaren) Momente ist und es nur das Jetzt gibt. Achtsamkeit pur. क्षणप्रतियोगी परिणामापरान्त निर्ग्राह्यः क्रमः kshana-pratiyogi parinama-aparanta nirgrahyah kramah - Patanjali Sutra IV.33 PS: Auf das – im Okzident übliche – Anführen von Studien wollte ich zunächst bewusst verzichten – ist ja schließlich ein Blog hier. Die in Klammern angeführten Quellen mögen dennoch ein erster Fingerzeig für diejenigen sein, die tiefer und auf Zahlen-, Daten-, Fakten- Ebene einsteigen möchten. Hier die zugehörigen Quellen: Baer, R. A., Smith, G. T. & Allen, K. B. (2004). Assessment of mindfulness by self-report: The Kentucky Inventory of Mindfulness Skills. Assessment, 11, 191–206. Goyal, M., Singh, S., Sibinga, E. M., Gould, N. F., Rowland-Seymour, A. & Sharma, R. e. a. (2014). Meditation programs for psychological stress and well-being: A systematic review and meta-analysis. JAMA Internal Medicine, 174, 357–368. Kabat-Zinn, J. (2003). Mindfulness-Based Interventions in Context: Past, Present, and Future. Clinical Psychology: Science and Practice, 10, 144–156. https://doi.org/10.1093/clipsy.bpg016 Lazarus, R. S. & Folkman, S. (2015). Stress, appraisal, and coping (11. [print.].) New York: Springer. Lohmann-Haislah, A. (2012). Stressreport Deutschland 2012 - Psychische Anforderungen, Ressourcen und Befinden (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Hrsg.). Dortmund. Michalak, J., Heidenreich, T., Ströhle, G. & Nachtigall, C. (2008). German version of the Mindful Attention an Awareness Scale (MAAS) - Psychometric features of a mindfulness questionnaire. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 37, 200–208. https://doi.org/10.1026/1616-3443.37.3.200 Bild unter "https://openclipart.org/image/1024px/svg_to_png/309162/1540764857.png" alt="Infinity Arrows Type II" title="Infinity Arrows Type II by GDJ ( https://openclipart.org/user-detail/GDJ )" CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) Public Domain Dedication